Intimarzt App: Anonyme Diagnose bei Geschlechtskrankheiten

Krankheiten im Allgemeinen und Hautkrankheiten im Besonderen stellen für jeden Betroffenen ein ernstes Problem dar. Bei Hautkrankheiten kommt noch hinzu, dass sie häufig für jedermann sichtbar sind, und Patienten zusätzlich mindestens mit „komischen“ Blicken und im Extremfall bis hin zu sozialer Ausgrenzung leben müssen. Noch gravierender wird es bei Erkrankungen im Intimbereich, etwa bei FeigwarzenUlcus molle oder Tripper. Teilweise wird die (falsche) Scham so stark, dass die Betroffenen lange brauchen, bis sie zum Arzt gehen, um sich fachlichen Rat einzuholen und sich behandeln zu lassen. Mit der Intimarzt App soll diesen Menschen geholfen werden, denn ihr Problem wird auf digitalem Wege und vor allem anonym untersucht.

Falsche Scham: Betroffene verschleppen oft die fachärztliche Diagnose.

↓ Was ist die Intimarzt App?
Datenschutz & Anonymität
↓ Kosten

Was ist die Intimarzt App?

Der Grundgedanke für die Entwicklung der Intimarzt App war, Krankheitsbilder von Geschlechtskrankheiten früher diagnostizieren und dadurch erfolgreicher behandeln zu können. Die Verantwortlichen sind der Meinung, dass durch die Anonymität Patienten eher bereit sind, sich dem Problem zu stellen, bevor es zu weiter gehenden Auswirkungen kommt. Prof. Dr. Alexander Enk, der Direktor der beteiligten Hautklinik an der Universitätsklinik Heidelberg, sagt dazu: „Es ist häufig so, dass Patienten mit einem Problem im Genitalbereich sich nicht sofort offenbaren, trotzdem aber wissen wollen, ob die aufgetretenen Symptome in einer Arztpraxis behandelt werden müssen.“

Die App Intimarzt verbindet nun beide Möglichkeiten, indem sie eine erste Einschätzung liefert und dem Betroffenen eine Handlungsempfehlung gibt, beispielsweise zu frei verkäuflichen Medikamenten, die häufig schon den Arztbesuch ersetzen können. Dieser Service schließt somit auch die Lücke zwischen einer nicht immer sicheren Recherche im Internet und einem tatsächlichen Gang zu einer Praxis.

Patienten können sicher sein, dass sie mit der App und den damit verbundenen Kosten nicht auf eine Abkassiermasche hereinfallen. Denn als erste telemedizinische Anwendung für Smartphones, die sich speziell auf Geschlechtskrankheiten ausrichtet, wurde der Antrag auf eine Zulassung von der Landesärztekammer Baden-Württemberg offiziell genehmigt. Damit dürfen Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten aus Deutschland Patienten mit ihren sehr intimen Problemen erstmals anonym befunden.

Wie funktioniert die Intimarzt App?

Patienten, die Intimarzt nutzen wollen, müssen für eine Befundung drei Fotos des Intimproblems einsenden, die in vorgegebenen Abständen aufgenommen wurden. Außerdem sind einige Angaben zu möglichen Symptomen zu machen. Die Daten werden dann über eine verschlüsselte Verbindung an eine Fachärztin oder einen Facharzt für Geschlechtskrankeiten gesendet. Die Befundung dürfen ausschließlich Mediziner vornehmen, die mindestens zehn Jahre Praxiserfahrung mit Geschlechtskrankheiten vorweisen können.

Falls Sie glauben, von einer Geschlechtserkrankung betroffen zu sein, aber kein Smartphone besitzen, können Sie einen anderen Weg beschreiten. Nehmen Sie die erforderlichen Fotos mit einer Digitalkamera auf und laden Sie sie auf der Intimarzt-Webseite www.intimarzt.de hoch.

Nach dem Eingang Ihrer Daten erhalten Sie innerhalb von 48 Stunden auf digitalem Wege eine Antwort mit der Ersteinschätzung. Eventuell kommt es vorher zu Rückfragen durch den Mediziner. Fragen und Antworten werden in einem gesicherten Datenraum gespeichert, der nur für Sie und den Arzt zugänglich ist.

Die App ersetzt nicht den Arztbesuch

Auf einen Punkt legen die Entwickler und Betreiber der Intimarzt App großen Wert, wie Dr. Titus Brinker klar ausdrückt: „Die Befundung via Smartphone ersetzt auf keinen Fall einen Arztbesuch, wenn eine Anfrage digital nicht eindeutig zu bewerten ist. Die Ersteinschätzung über unsere Telemedizin-App ist lediglich ein möglicher Diagnoseschritt, bevor jemand eine Praxis aufsucht oder von unseren Fachärzten dazu aufgerufen wird.“ Brinker ist Assistenzarzt an der Hautklinik in Heidelberg und leitet die App-Entwicklung am Nationalen Centrum für für Tumorerkrankungen.

Unterstützung für die Krebsfrüherkennung

In gewisser Weise kann die Intimarzt App – sozusagen nebenbei – auch zur Krebsfrüherkennung beitragen. Der Leiter der dermatoonkologischen Kooperationseinheit beim DKFZ, Professor Jochen Utikal betont dazu: „Die anonyme App kann auch für eine frühzeitige Erkennung von Krebserkrankungen bedeutsam sein. So sind beispielsweise ein Vulva- oder Peniskarzinom, Feigwarzen auf Grund einer HPV-Infektion oder Hautflecken im Intimbereich bei Frauen und bei Männern Veränderungen, die unbedingt onkologisch abgeklärt werden sollten, aber von vielen Patienten ebenfalls ungern persönlich einem Arzt präsentiert werden.“

Externe wissenschaftliche Bewertung durch die Universitäts-Hautklinik Essen

In einem aktuellen Review konnte die Projektgruppe der Intimarzt App aufzeigen, dass die nun angebotene digitale Lösung nicht nur auf eine hohe Trefferquote kommt, sondern auch für alle Beteiligten – betroffene Patienten wie diagnostizierende Fachärzte für Geschlechtskrankheiten – großen Komfort bietet. Insgesamt fehlen jedoch noch Daten aus Deutschland und speziell zu Geschlechtserkrankungen.

Funktionsoberärztin Dr. Wiebke Sondermann vom Universitätsklinikum Essen, das an der Entwicklung beteiligt ist, leitet dort die externe Evaluation (Bewertung) der Intimarzt App. Dabei gibt es mehrere zentrale Fragestellungen. Die erste betrifft die Häufigkeit, mit der die Mediziner an Hand der übermittelten Patientenfotos und -daten bei intimen Problemen tatsächlich eine Diagnose stellen und eine Handlungsempfehlung aussprechen können. Die zweite Frage richtet sich auf die Art der Geschlechtskrankheiten bzw. Hautveränderungen im Intimbereich der vorstellig gewordenen Patienten. Die dritte Frage schließlich konzentriert sich darauf, wie die Faktoren interagieren.

Frau Dr. Sondermann begrüßt die Initiative aus Heidelberg. „Gerade, wenn intime Hautveränderungen auftreten, gehen viele Patienten aus falscher Scham heraus zu spät in eine Praxis und nehmen dadurch einen negativen Einfluss auf ihre persönliche Prognose in Kauf. Ich meine, dass die Intimarzt App für Patientinnen und Patienten wegen ihrer anonymen Befundungsmöglichkeit eine schnellere Diagnostik durch einen Facharzt ermöglicht. Sie stellt gegenüber Dr. Google, der häufig zuerst konsultiert wird, eine deutlich überlegene Informationsquelle dar.“

Wie hält es Intimarzt mit dem Datenschutz?

Selbstverständlich werden von der Intimarzt App und den beteiligten Medizinern sämtliche gesetzlichen Bestimmungen zum Thema Datenschutz eingehalten. Die Daten der Patienten werden absolut vertraulich behandelt und keinesfalls an Dritte weiter gegeben. Die Übertragung der Fotos und Informationen an die Fachärzte in Baden-Württemberg sowie eventuelle Rückfragen erfolgen stets über eine sichere, verschlüsselte Verbindung.

Sie müssen für die Nutzung der App keinen speziellen Account anlegen oder personenbezogene Daten (PBD) übermitteln. Auch eine Angabe Ihrer E-Mail-Adresse ist freiwillig, denn Befunde werden nicht via Mail, sondern per Push-Nachricht gesendet bzw. direkt in der App aufgeführt. Achten Sie darauf, dass bei der Aufnahme der drei erforderlichen Fotos ihr Gesicht nicht erkennbar ist, um vollständig anonym und nicht identifizierbar zu bleiben. Individuelle Muttermale oder Tätowierungen im Intimbereich sollten Sie vor dem Fotografieren abdecken.

Eventuell müssen Sie bei der Bezahlung Ihre E-Mail-Adresse und Ihren Namen angeben. Diese Daten verbleiben allerdings beim Zahlungsanbieter und werden nicht von Intimarzt gesammelt, das heißt, sie werden separat von Ihrem Fall gespeichert und können Ihrem Datensatz nicht zugeordnet werden. Die vollständigen Regelungen zum Datenschutz und zur Anonymität finden Sie in der Datenschutzerklärung auf der Webseite von Intimarzt.de und in den App-Versionen für iOS und Android.

Welche Kosten entstehen für den Service?

Die App Intimarzt selbst ist kostenlos. Wird der Service dann tatsächlich in Anspruch genommen, entstehen für den Patienten pro Fall Kosten in Höhe von 24,95 Euro. Die Krankenkassen kommen bisher noch nicht dafür auf, aber vielleicht ändert sich das in der Zukunft. Fachärzte für Geschlechtskrankheiten aus Baden-Württemberg, die an dem Projekt teilnehmen, können ihre Leistungen nach der Ärzte-Gebührenordnung ganz normal abrechnen.

Dr. Titus Brinker erklärt dazu: „Zwar müssen die Patienten die Aufwandspauschale derzeit noch selbst bezahlen, allerdings zeigen die Krankenkassen ihr Interesse an dem neuen Service.“

Wer hat die Intimarzt App entwickelt?

Intimarzt wurde von mehreren Institutionen gemeinsam entwickelt, und zwar von der Universitäts-Hautklinik in Heidelberg, dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg sowie Mitarbeitern der Universitäts-Hautklinik in Essen. Die Genehmigung zur Nutzung wurde durch die Landesärztekammer in Baden-Württemberg erteilt.

Obwohl an der Entwicklung der App auch Fachärzte aus Essen beteiligt sind, dürfen Mediziner aus Nordrhein-Westfalen wegen des Fernbehandlungsverbots nur in Ausnahmefällen bei der Diagnose tätig werden. Deshalb wird die Befundung zum Start der Intimarzt App ausschließlich durch Kollegen und Kolleginnen aus Baden-Württemberg vorgenommen. Es ist aber zu erwarten, dass NRW die gesetzlichen Bestimmungen – wie in anderen Bundesländern bereits geschehen – in nächster Zukunft lockern wird.

Woher bekommen Sie die Intimarzt App?

Die Smartphone App können Sie auf der Webseite https://intimarzt.de oder für iPhones über den AppStore bzw. für Android bei Google Play herunterladen. Der Download ist bei allen Quellen kostenlos.